Landrat bei den Landwirten: Ehrlichkeit im Dialog als Basis für ein besseres Verständnis

Wolfgang Heinrich

31. Oktober 2024

Auf Einladung von Wilfried Jerg, Vorstandsmitglied der CDU Bodenseekreis, fand am 28.10.2024 im Winzerverein in Meersburg ein Arbeitstreffen mit Luca Wilhelm Prayon, Landrat des Bodenseekreises und den Landwirtinnen und Landwirten aus der Region statt. Impulsvorträge und Erfahrungsberichte zeigten die Herausforderungen des landwirtschaftlichen Alltags auf.

„Es geht darum, die Höfe zu unterstützen, damit sie auf die nächste Generation übergehen können,“ begann Landrat Prayon sein Eingangsstatement. Zu den agrarpolitischen Zielen gehört auch, die Unabhängigkeit der Landwirtschaft zu stärken, damit in Zukunft die Ernährungssicherheit besser gesichert ist.

Bei dem Vortrag von Herrn Straub, von solarcompex, ging es um den zunehmenden Energieverbrauch auch in der Landwirtschaft. Der Strombedarf werde sich bis 2050 verdoppeln, so die Prognose. Straub zeigte auf, wie effizient Solarparks die Stromlücke füllen können und erläuterte dabei den ökologischen Mehrwert. „Mir blutet dabei das Herz,“ kommentierte ein Landwirt die Solarpark-Pläne und bezog sich dabei auf den Flächenfrass für Freiflächensolarparks. Prayon sieht große Chancen in der doppelten Nutzung der Flächen und unterstrich die Unterstützung des Landratsamts bei der Agri- Photovoltaik, eine Technik, bei der die Solarmodule auf landwirtschaftlich genutzten Flächen so installiert werden, dass sowohl Energie erzeugt wird als auch weiterhin landwirtschaftliche Nutzung möglich ist. Die Landwirtinnen und Landwirten wünschen sich bei diesem Thema mehr Unterstützung. Jerg wünscht sich konkret einen zentralen Ansprechpartner auf dem Landratsamt. Des Weiteren regt er an, den Genehmigungsprozess insbesondere für kleinere Anlagen so zu verschlanken, dass die Kosten-Nutzen Relation verbessert werden kann. „Versorgungssicherheit und Wertschöpfung muss bei unseren Betrieben im Fokus stehen.“

„Beim Thema Pflanzenschutz müssen wir uns ehrlich machen“, trugen mehrere Anwesende eindringlich vor. Man ist sich dessen bewusst, dass jeder Pflanzenschutzmitteleinsatz, egal ob biologisch oder nach den Kriterien der integrierten Produktion, ein Eingriff ist. Aber zur Ehrlichkeit gehöre auch, dass ohne Pflanzenschutz ein Totalausfall der Ernte möglich ist. Hier wünschen sich die Obst-, Wein- und Gemüsebauernhöfe eine Diskussion, die nicht dogmatisch auf Kosten der konventionellen Betriebe geht. Die Frage blieb offen, ob der biologische Anbau überhaupt noch zeitgemäß ist angesichts der Tatsache, dass er keine zuverlässigen Ernten einbringe. Ernteausfälle gefährden die steigende Bedeutung der regionalen Versorgungssicherheit. Wer Versorgungssicherheit bei Lebensmitteln will, muss „Ja“ sagen zum Schutz der Pflanzen. 

Die Diskussion um den Umgang mit der Gewässerunterhaltung und den Wasserschutzgebieten nahm einen großen Raum ein. Dabei wurden auch die Folgen der Flut aus Juni 2024 beispielhaft vorgetragen. Wenn es um Überschwemmungen geht, nimmt der Biber eine bedrohliche Rolle ein, so die Sicht der Bauernbetriebe. In Baden-Württemberg gab es den Biber lange Jahre nicht mehr. Mittlerweile siedelt er sich wieder an Flüssen und Seen an. Da er zu den besonders geschützten Arten zählt, ist es verboten, ihn beispielweise zu fangen oder zu vertreiben.

Mit seinen Dämmen kann er Überschwemmungen verursachen. Dann werden fruchtbare Ackerflächen unbrauchbar bis hin zu Totalausfällen. Auch können die Biber die Funktion der Entwässerung beeinträchtigen und damit zur Vernässung der Böden führen.

Die örtlichen Biberberaten müssen sich aktiver um Lösungen bemühen, so erklärten es die Anwesenden aus der Landwirtschaft, denn die Biberpopulation im Bodenseekreis wächst rasant. Ähnlich gelagert ist es bei den Kormoranen. Diese Problematik ist der CDU Bodenseekreis sehr bewusst. So hat erst kürzlich der Kreisvorsitzende der CDU Bodenseekreis, Volker Mayer-Lay MdB, einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf ein Kormoranmanagement zum Schutz von Artenvielfalt und Fischereibeständen mit initiiert.

Bei den schützenden Streuobstwiesen, die der Bodenseekreis bereits seit über 30 Jahren fördert, gab es einen Vorschlag zum noch besseren Schutz: mit einem Pflegeschnitt, der nicht nur alle vier Jahre, sondern alle 2 Jahre gefördert werden soll, werden die Bäume gerade in den ersten Lebensjahren besser ins Wachstum gebracht. Außerdem wünscht man sich Bildungsangebot für die Weiterbildung derjenigen, die die Pflegeschnitte vornehmen. Bei all den unterschiedlichen Herausforderungen und vorgetragenen Ideen würdigten die Anwesenden die äußerst aktive Lösungsbereitschaft von Landrat Prayon, der sich auch Einzelfälle vortragen ließ und in Zukunft lassen wird.

Landrat Prayon resümiert: „Wir sitzen alle im gleichen Boot.“ Er führt dazu weiter aus, dass wir lernen müssen, die Welt auch mit den Augen des anderen zu sehen. Es müsse eine Balance gefunden werden, die zum einen die Betriebe aufrechterhält und zum anderen den Naturschutz nicht außer Acht lässt.

Dabei geht Prayon auch auf die weltpolitischen Herausforderungen ein. „Es wird noch dauern, bis wir alle die richtigen Maßnahmen auf die tiefgreifenden Veränderungen, der Zeitenwende, gefunden haben.“ Wilfried Jerg beendet das Treffen mit der hoffnungsvollen Aussicht, dass er an die Kraft der Veränderung glaubt.

Ausschnitt aus dem Arbeitstreffen; 2. von links: Landrat Luca Wilhelm Prayon

Von links: Landrat Luca Wilhelm Prayon, Wilfried Jerg